Ein Sprungbrett in die berufliche Zukunft

Joblinge bekämpft Jugendarbeitslosigkeit

Jugendlichen im Kreis Bergstraße zwischen 15 und 24 Jahren eine Perspektive zu bieten – das haben sich das Kommunale Jobcenter Neue Wege Kreis Bergstraße und die gemeinnützigen Initiative der Unternehmensberatung der The Boston Consulting Group und der Eberhard von Kuenheim Stiftung der BMW AG zur Aufgabe gemacht. Das Projekt „Joblinge“ ebnet jungen Menschen den Weg in den Beruf, ohne Beachtung eines Schulabschlusses oder Vorkenntnissen. „Den Jugendlichen soll mit praktischen Fähigkeiten beim Sprung über die formalen Bewerbungshürden geholfen werden, indem sie direkt in Kontakt mit Unternehmen kommen“, erklärt der Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf.

Während eines sechsmonatigen Programms können sie ihre Fähigkeiten in der Praxis unter Beweis stellen, wichtige Schlüsselqualifikationen erlernen, soziale Kompetenzen trainieren und haben so die Chance auf einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz im Traumberuf. Dabei arbeiten große und kleine Firmen, Kommunen, Privatleute, Sozialpädagogen, Ämter und Stiftungen Hand in Hand an einem gemeinsamen Ziel: Eine passende Arbeitsstelle für jeden “Jobling” zu finden.

Allein auf eine hohe Motivation und Eigeninitiative werde Wert gelegt, betont auch der Neue Wege Betriebsleiter Stefan Rechmann. „Das Besondere an diesem Programm ist, dass alle Jugendlichen eine Chance bekommen in der Gesellschaft Fuß zu fassen. Die Teilnehmer haben die Chance sich zu beweisen und sich einen Job zu erarbeiten. Bei Joblinge gibt es für jeden eine spezielle Förderung – durch Workshops, Gespräche, Projekte und persönliche Begleitung. Auf ihrem Weg unterstützt werden sie dabei von Joblinge-Mitarbeitern und Mentoren, geschulten ehrenamtlichen Helfern aus Unternehmen mit Lebens- und Berufserfahrung.“

Das Programm basiert auf vier Säulen: Während einer zweiwöchigen gemeinnützigen Projektarbeit stellen die Teilnehmer ihre Motivation unter Beweis und versuchen herauszufinden, wo ihre Stärken liegen. Hier erfolgt auch die Vorbereitung auf die anstehenden Praktika – die Vermittlung von im Berufsleben notwendigen sozialen Kompetenzen wie Zuverlässigkeit, Durchhaltevermögen, Motivation, Teamfähigkeit oder auch Kritikfähigkeit stehen im Fokus. Im Anschluss können sich die Jugendlichen in mehreren zwei- bis vierwöchige Qualifizierungspraktika ausprobieren. Haben sie „ihren Job“ gefunden wird in einem Bewerbungspraktikum der Nachweis für die Eignung für die Ausbildungs- oder Arbeitsstelle erbracht. Das Besondere: Alle Partnerunternehmen, die Praktika anbieten, garantieren in einer Partnerschaftsvereinbarung, dass auf ein erfolgreiches Praktikum die Übernahme in ein Ausbildungsverhältnis folgt.

„Seit dem Start von Joblinge im Kreis Bergstraße im Jahr 2013 konnten von 49 Teil-nehmern 32 in Ausbildung, Arbeit, Einstiegsqualifizierungen mit Anschluss, Studium oder in eine weiterführende Schule vermittelt werden. Das entspricht einer Vermittlungsquote von 72 Prozent – ein tolles Ergebnis, das zeigt, dass wir für unsere Ausbildungsvermittlung ein richtiges Förderinstrument gewählt haben“, so Stefan Rechmann abschließend.

Voraussichtlich im Februar 2015 wird eine neue Staffel der Joblinge starten. Bei Interesse an einer Teilnahme und zur Erläuterung der Teilnahmebedingungen steht Fritz Strößinger allen Interessierten, unabhängig vom Bezug von Sozialleistungen, unter 06252 / 156024 für Fragen zur Verfügung.

Neue Wege auch für das Mittagessen

Jobcenter–Dezernent Schimpf und Betriebsleiter Rechmann legen Bilanz für 2014 vor

Die Zusammenarbeit des Eigenbetriebs Neue Wege mit der Wirtschaftsförderung GmbH ist nach Ansicht des Kreisbeigeordneten Matthias Schimpf (Grüne) ein Grund dafür, dass der Kreis Bergstraße im Vergleich zum Landesdurchschnitt bessere Quoten aufweist, was die Zahl der Langzeitarbeitslosen betrifft.

HEPPENHEIM.

„Jobcenter und Wirtschaftsförderung arbeiten Hand in Hand“, sagte der Bergsträßer Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf, als er mit Betriebsleiter Stefan Rechmann die Daten für das Jahr 2014 im Vergleich mit früheren Zeiträumen vorlegte. Danach ist die Zahl der Bedarfsgemeinschaften seit 2010 von 7734 kontinuierlich auf 6679 Ende Dezember 2014 gesunken.

Die Zahl der Arbeitslosen, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II bezieht, sank im gleichen Zeitraum von 4596 auf 3488. Auch was die sogenannten Aufstocker betrifft – Menschen, deren Arbeitslohn so niedrig ist, dass sie Sozialleistungen beziehen – gibt es laut Schimpf eine positive Entwicklung. 2010 gab es 3513 Aufstocker. Nach Schwankungen ist dieser Wert auf 3197 gesunken.

Ob mit dem gesetzlichen Mindestlohn die Zahl der Aufstocker sinkt, lässt sich noch nicht sagen, weil diese Form der Regelleistungen nicht nur vom Stundenlohn, sondern von der Arbeitszeit abhängt. Eine alleinerziehende Mutter könnte unter Umständen solche Mittel in Anspruch nehmen, obwohl sie mehr als 8,50 Euro pro Stunde verdient.

Insgesamt wurden im vergangenen Jahr laut Schimpf und Rechmann 34,2 Millionen Euro an sogenannten Regelleistungen ausgezahlt. Dazu kamen 31,8 Millionen Euro Wohngeld.

Wie Schimpf und Rechmann erkennen ließen, sind die Themen Arbeitslosigkeit und Wohnen untrennbar miteinander verbunden. Besonders in den Städten und Gemeinden entlang der Bergstraße ist bezahlbarer Wohnraum knapp. Vergleichsweise billige Wohnungen gibt es zwar in den Dörfern des Odenwaldes. Doch von dort aus ist es schwer, die Qualifizierungsangebote des Jobcenters zu nutzen. Schimpf sagte, selbst die Erhöhung des Wohngeldes löse die Probleme nicht. Solche Anpassungen der Regelsätze führten fast immer dazu, dass die Mietpreise entsprechend steigen.

Betriebsleiter Rechmann berichtete, der Eigenbetrieb mit seinen Fallmanagern werde sich in diesem Jahr besonders den Langzeitarbeitslosen widmen. Aus den Förderprogrammen von Bund und Land erhält das Jobcenter in diesem Jahr 7,9 Millionen Euro. 2016 laufe das Programm „50 plus“ allerdings aus, sodass die Summe um eine Million Euro sinkt.

Positiv werde das sogenannte Teilhabepaket angenommen, das 2011 vom Bund geschnürt wurde. Damit werden Kinder und Jugendliche unterstützt, deren Eltern Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe oder andere Sozialleistungen erhalten. So können Klassenfahrten, Schulbedarf, Mittagessen oder Nachhilfeunterricht ermöglicht werden. 2012 wurden im Kreis 4688 Anträge gestellt. 2014 waren es 6610 mit 1,1 Millionen Euro. Besonders stolz zeigte sich Rechmann darüber, dass es Neue Wege gelungen sei, innerhalb eines Jahres 100 000 Mittagessen in Schulen zu finanzieren.

Starkenburger Echo, 26.01.2015

Auch im kommunalen Jobcenter Neue Wege ist die Flüchtlingsthematik angekommen / Firmen bieten Unterstützung an

Jobs für eine schnellere Integration

Bergstraße. Weniger Arbeitslose, wirksame Programme: Das kommunale Jobcenter des Kreises Bergstraße ist weiter auf einem guten Weg (siehe Infobox). Beim Jahrespressetermin gestern in Heppenheim war jedoch schnell klar, dass neue Herausforderungen warten: Wie Städte und Gemeinden, Vereine und Ehrenamtliche wird sich auch Neue Wege in der kommenden Zeit verstärkt um jene Menschen kümmern, die aus ihren Heimatländern fliehen und sich hier ein neues Leben aufbauen müssen.

750 Flüchtlinge wurden im vergangenen Jahr im Kreis Bergstraße aufgenommen, Sozialdezernent Matthias Schimpf rechnet für dieses Jahr mit weit über tausend weiteren. Allein im ersten Quartal werden etwa 450 neue Flüchtlinge im Kreis Bergstraße ankommen. Meist sind es junge, alleinstehende Männer unter 30 aus Eritrea, Somalia oder Syrien, die hier Zuflucht suchen.

Der abstrakte Begriff “Integration” wird dann schnell an konkreten Beispielen deutlich: Geheizt wird nicht mit dem Herd, da das Unmengen von Energie schluckt, Sicherheitstüren dürfen nicht offenstehen, Müll wird getrennt. Und auch bei Fragen wie “Wann kaufe ich ein? Wo kaufe ich ein? Was kaufe ich ein?” prallen die Kulturen aufeinander.

Die Aufgabe, vor der der Kreis Bergstraße steht, ist klar: Den Menschen, die hier eine neue Heimat gefunden haben, soll ein weitgehend unabhängiges Leben ermöglicht werden – nicht nur, aber auch finanziell. Dazu hat die Kreisverwaltung vor mehr als einem Jahr eine abteilungsübergreifende Arbeitsgruppe gebildet, die sich zum Beispiel um Wohnraumbeschaffung, Alltagsbegleitung oder Sprachförderung kümmert.

Eine Betreuung durch Neue Wege in den ersten drei Aufenthaltsmonaten verbietet das Gesetz: Solange nicht klar ist, ob ein Flüchtling dauerhaft bleiben darf oder nicht, darf das kommunale Jobcenter an dieser Stelle kein Geld in die Hand nehmen. Auf der anderen Seite – und das steht außer Frage – können Flüchtlinge in den ersten Wochen nach ihrer Ankunft nicht einfach sich selbst überlassen werden.

Ganz im Gegenteil: Für Sprachkurse und das erste Kennenlernen der neuen Heimat bietet sich diese Zeit geradezu an, will man schnellstmöglich Selbstständigkeit erreichen. Zur Koordinierung dieser Angebote stellt der Kreis Bergstraße daher Geldmittel als “freiwillige Leistung” zur Verfügung, während die anfallenden Aufgaben von zahlreichen Ehrenamtlichen gestemmt werden.

Fast täglich berichtet der BA von Sprachkursen, Sportangeboten oder dem Bemühen, Flüchtlinge für das Vereinsleben in der Region zu begeistern. Auch von engagierten Unternehmen wusste Sozialdezernent Schimpf gestern zu berichten, die den Flüchtlingen Praktika, kleine Jobs oder Firmenführungen anbieten möchten. “Die Bereitschaft der regionalen Wirtschaft ist da. Allerdings muss man hier sehr genau hinschauen, was erlaubt ist und was nicht”, so Schimpf.

Der “Status” ist entscheidend

Wenn nach den ersten Monaten schließlich feststeht, dass eine Person in Deutschland bleiben darf und sie auch einen entsprechenden “Status” erhält, kann sich auch Neue Wege in die Betreuung einschalten. Selbstverständlich wurden Flüchtlinge und Migranten hier auch in der Vergangenheit bei ihrem Weg in Arbeit unterstützt – nur nicht in so geballter Zahl.

Ab Mai, so viel kann Betriebsleiter Stefan Rechmann schon heute sagen, treten knapp 120 Flüchtlinge in den Leistungsbezug ein. Die gilt es dann, so schnell wie möglich in Arbeit zu vermitteln. Dazu will das Jobcenter ein spezielles Programm auflegen, das Ausbildung und Vorkenntnisse, aber auch Defizite und Beeinträchtigungen ermittelt, um die Personen dann – wie deutsche Leistungsbezieher auch – über geeignete Maßnahmen in Arbeit zu bringen. Zur Unterstützung wird es speziell ausgebildete Fallmanager geben, kündigte Rechmann an.

Auch bei den sogenannten “Kosten der Unterkunft” für Hartz-IV-Empfänger wird man in diesem Jahr nachsteuern müssen. Diese sind im Kreis Bergstraße als Zuzugs- und Wachstumsregion ohnehin ein Dauerthema und erhöhen sich wohl nun mit der Unterbringung weiterer Flüchtlinge. “Was für uns grundsätzlich eine Selbstverständlichkeit ist”, wie Schimpf betonte.

Zahlen, Daten, Fakten: Rück- und Ausblick für Neue Wege

Die Zahl der Langzeitarbeitslosen im Kreis Bergstraße hat sich in den vergangenen fünf Jahren konstant verringert: von rund 4600 Ende 2010 auf knapp 3500 im vergangenen Dezember.

Die Zahl der jugendlichen Langzeitarbeitslosen im Alter von unter 25 Jahren ist im gleichen Zeitraum sogar noch stärker gesunken, nämlich um rund zwei Drittel auf derzeit knapp 50 Personen. Für Schulverweigerer wird in diesem Jahr das neue Programm “MOVE” aufgelegt.

Maßnahmenschwerpunkte des Jobcenters im vergangenen Jahr waren unter anderem die sogenannte Einstiegsoffensive für Neuantragsteller, Gesundheitsförderprogramme und speziell zugeschnittene Zielgruppenmaßnahmen wie das Projekt “50Plus”.

Den eingeschlagenen Kurs will Neue Wege in diesem Jahr beibehalten und weiterentwickeln. Festgehalten wird auch an den dezentralen Angeboten in den Teilregionen des Landkreises.

Weitere Schwerpunkte im Jahr 2015 liegen auf Maßnahmen für Langzeitarbeitslose, die bereits seit mehreren Jahren Leistungen beziehen, für Behinderte und Menschen mit Migrationshintergrund.

Im Landesvergleich gut angenommen wird mittlerweile das sogenannte “Bildungs- und Teilhabepaket”, das im Bedarfsfall zum Beispiel die Teilnahme an Klassenfahrten ermöglicht. So wurden im vergangenen Jahr 100?000 Mittagessen an Schulen und Kitas finanziert.

Für seine Arbeit erhält der Eigenbetrieb in diesem Jahr knapp acht Millionen Euro: 6,3 Millionen vom Bund, 650?000 Euro vom Land Hessen sowie – letztmalig – eine Million aus dem Bundesprogramm “50Plus”.

Um ein spezielles Programm für Flüchtlinge auflegen zu können, bemüht sich der Kreis außerdem um zusätzliche Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds. rk

Bergsträßer Anzeiger, 24.01.2015