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Landrat Engelhardt warnt Bundesregierung vor Mittelkürzungen bei Jobcentern

Job-Turbo-Messe soll Integration von Geflüchteten in Arbeitsmarkt stärken / Arbeitslosenquote im Juni bei 4,4 Prozent (Kreis Bergstraße) bzw. 5,8 Prozent (Deutschland)

Kreis Bergstraße (kb). Im Juni waren im Landkreis Bergstraße 6.605 (Vormonat: 6.580 Menschen) arbeitslos gemeldet. Im Vergleich zum Vormonat ist die Zahl der von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen damit um 25 Personen (+0,4 Prozent) gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat (Bestand: 6.409) stieg die Arbeitslosenzahl um 196 Personen (+3,1 Prozent). Die Arbeitslosenquote bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen lag bei 4,4 Prozent. Im Vorjahr waren es 4,3 Prozent. Zum Vergleich: Für Hessen insgesamt liegt die Arbeitslosenquote aktuell bei 5,4 Prozent, deutschlandweit bei 5,8 Prozent.

„Dank unserer starken und vielfältigen Wirtschaft, aber auch dank des hohen Engagements der Mitarbeitenden in unserem kommunalen Jobcenter Neue Wege haben wir im Kreis weiterhin einen stabilen Arbeitsmarkt, auch wenn sich die bundesweit schwierige konjunkturelle Lage natürlich auch bei uns bemerkbar macht. Generell ist unser Jobcenter in Sachen Personal, Konzept und auch Digitalisierung aber sehr gut aufgestellt“, betont Landrat Christian Engelhardt, der jedoch mit Sorge darauf blickt, dass die Bundesregierung in ihrer aktuellen Finanzplanung für 2025 den Haushaltsansatz der Vorjahre fortschreiben möchte.

„Das käme angesichts deutlich gestiegener Personalkosten und immer größeren Herausforderungen einer drastischen Mittelkürzung gleich. Angesichts einer steigenden Arbeitslosigkeit und den Bestrebungen zur Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt ist es aber wichtig, dass die Jobcenter von der Bundesregierung ausreichend finanziert werden, insbesondere was die Mittel für Aktivierung und Vermittlung von Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger angeht“, so der Landrat weiter. Auch die Bundesagentur für Arbeit sowie der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Städtetag als Träger der Jobcenter haben jüngst in einer Pressemitteilung an die Bundesregierung appelliert, die Grundsicherungsstellen adäquat finanziell auszustatten. „Damit wir Langzeitarbeitslose und Geflüchtete bei der Integration in den Arbeitsmarkt bestmöglich unterstützen können, benötigen wir entsprechende finanzielle Mittel. Bleibt es bei den aktuellen Plänen der Bundesregierung, wären wir in unserem Budget für entsprechende Maßnahmen aber stark eingeschränkt“, betont Dr. Melanie Marysko, Leiterin des Eigenbetriebes Neue Wege Kreis Bergstraße -Kommunales Jobcenter-.

Gemeinsam mit Landrat Engelhardt und dem stellvertretenden Leiter des Eigenbetriebes Neue Wege Peter Schmiedel zog sie kürzlich bei der Jahrespressekonferenz auch eine Bilanz für das Jahr 2023 des kommunalen Jobcenters. Das vergangene Jahr stand vor allem im Zeichen der Einführung des Bürgergeldes und der bundesweit schwierigen wirtschaftlichen Lage, die sich auch auf den Kreis Bergstraße auswirkte. So stieg die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften – also der Haushalte, die Bürgergeld beziehen – im Kreis 2023 im Vergleich zu 2022 um 164 auf 7.152. Die Quote der im SGB II-Bezug stehenden Personen lag im Kreis Bergstraße im Jahr 2023 bei 2,9 Prozent, was einen Anstieg im Vorjahresvergleich von 0,3 Prozent bedeutet. Im Gegenzug ging die Zahl der langzeitbeziehenden Personen leicht von 6.041 in 2022 auf 5.726 Personen in 2023 zurück (- 315 Personen). Die Finanzzahlen zeigen unter anderem einen deutlichen Anstieg bei den Kosten der Unterkunft. Hier wurden 2023 rund 8,5 Millionen Euro mehr als im Jahr 2022 vom Jobcenter übernommen. Auch stieg die Summe der Zahlungen der Regelleistungen von 58.925.048 Euro in 2022 auf 69.992.841 Euro in 2023 deutlich an.

Die Einführung des Bürgergeldes in zwei Etappen Anfang und Mitte 2023 hat Neue Wege Kreis Bergstraße -Kommunales Jobcenter- organisatorisch gut bewältigen können. „Aus meiner Sicht war diese Reform dennoch ein Flop der Bundesregierung. Mit der Einführung wurden bessere Qualifizierungen für Arbeitssuchende versprochen, doch die notwendigen finanziellen Mittel dafür wurden nicht bereitgestellt. Zum anderen wurde aus dem erfolgreichen Konzept „Fördern und Fordern“ das Fordern fast komplett gestrichen. Das können wir uns in Zeiten, in denen die Arbeitslosenzahlen wieder steigen und wir gleichzeitig auf einen eklatanten Fachkräftemangel in vielen Branchen zusteuern – nicht leisten. Stattdessen müssen wir so viele Menschen wie möglich in den Arbeitsmarkt bringen. Das Bürgergeld schafft dazu viel zu wenige Anreize“, betonte Landrat Engelhardt. Er sprach sich zudem dafür aus, bei der Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, die Standards, die in Deutschland an Arbeitssuchende gestellt werden, zu überdenken. „Es ist wichtig, Geflüchtete möglichst schnell in Arbeit zu bringen. Auch mit nicht so ausgeprägten Deutschkenntnissen ist es bereits in vielen Fällen möglich, einem Job nachzugehen. Zumal man an keinem Ort so gut eine Sprache lernen und soziale Kontakte knüpfen kann wie am Arbeitsplatz. Und Qualifizierungen lassen sich hier gut nachholen oder nebenberuflich bewältigen“, so Engelhardt.

Um die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt im Rahmen des „Job-Turbos“ der Bundesregierung voranzutreiben, veranstaltete Neue Wege Kreis Bergstraße -Kommunales Jobcenter- gemeinsam mit der Agentur für Arbeit (Geschäftsstellen Lampertheim und Bensheim) im Juni eine Job-Turbo-Börse im Bürgerhaus in Bürstadt. Hierbei konnten sich 28 Unternehmen aus dem Kreis geflüchteten arbeitssuchenden Menschen vorstellen und die potentiellen Bewerberinnen und Bewerber kennenlernen. Eingeladen wurden dazu bürgergeldbeziehende, geflüchtete Menschen aus dem gesamten Kreisgebiet. Sie stellen hier aktuell rund ein Drittel der Personen, die SGBII beziehen.

Vor Ort machte sich nicht nur Landrat Engelhardt ein Bild von der Börse, sondern auch Katrin Hechler, Staatssekretärin im Hessischen Ministerium für Arbeit, Integration, Jugend, Soziales. Das Fazit der Veranstalter und der Akteure vor Ort fiel angesichts der Resonanz auf die Veranstaltung durchweg positiv aus.

Mittelkürzungen erschweren Jobcenter die Arbeit

Die für das Kommunale Jobcenter „Neue Wege Kreis Bergstraße“ zuständige Dezernentin Diana Stolz übt Kritik am Kurs der Bundesregierung


Die Erste Kreisbeigeordnete und zuständige Dezernentin Diana Stolz (links), die Leiterin des Eigenbetriebes Neue Wege Kreis Bergstraße – Kommunales Jobcenter – Dr. Melanie Marysko und der stellvertretende Eigenbetriebsleiter Peter Schmiedel (nicht im Bild) stellten die Jahresbilanz des Jobcenters für 2022 vor.

 

Kreis Bergstraße (kb). Das Jahr 2022 war für den Eigenbetrieb Neue Wege Kreis Bergstraße – Kommunales Jobcenter – ein Jahr voller Herausforderungen. Am 01. Juni 2022 trat der sogenannte Rechtskreiswechsel in Kraft, damit kamen innerhalb von drei Monaten knapp 2.000 Geflüchtete aus der Ukraine in den Rechtskreis Sozialgesetzbuch (SGB) II und damit in den Zuständigkeitsbereich des Kommunalen Jobcenters hinzu. Im Verlauf des Jahres 2022 mussten zudem bereits umfangreiche Vorbereitungen und Umstellungen für die Einführung des Bürgergeldes am 01. Januar 2023 getroffen werden.

Die Herausforderungen hat das Kommunale Jobcenter mit großem Einsatz und hohem Aufwand gut bewältigen können. „Ich bin allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr dankbar für ihr Engagement, nicht nur beim Meistern dieser beiden großen Aufgaben, sondern auch bei der täglichen Arbeit, die eine sehr wertvolle für unsere Gesellschaft ist“, sagte die Erste Kreisbeigeordnete und zuständige Dezernentin Diana Stolz.

Mit dem Rechtskreiswechsel der Geflüchteten aus der Ukraine ging auch ein Anstieg der Bedarfsgemeinschaften und der Arbeitslosen im Kreis nach SGB II einher. So stieg die Zahl der Bedarfsgemeinschaften von Dezember 2021 bis Dezember 2022 von 6.427 auf 6.988, die Zahl der Arbeitslosen nach SGB II von 2.601 auf 3.840. Die Summe der ausgezahlten Regelleistungen stieg um rund 2,8 Millionen Euro auf 58.925.048 Euro. Die Kosten der Unterkunft, die das Jobcenter übernahm, stiegen ebenfalls – um rund 2,6 Millionen Euro auf 39.869.544 Euro.

Und die Herausforderungen werden nicht weniger. Denn für das kommende Jahr 2024 hat die Bundesregierung erneut eine Kürzung beim Eingliederungstitel angekündigt, dem Kreis Bergstraße stünden damit weniger Mittel zur Verfügung, um vor allem Langzeitarbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt integrieren zu können – bei einer deutlich gestiegenen Anzahl von Bedarfsgemeinschaften.

Bei der Ersten Kreisbeigeordneten stößt das auf völliges Unverständnis: „Das Bürgergeld ist eine Mogelpackung. Die Bundesregierung verspricht, damit für mehr Qualifizierung der Kundinnen und Kunden unseres Jobcenters zu sorgen, kann das aber nicht halten, weil sie gleichzeitig die Mittel dafür kürzt. Dabei laufen die Maßnahmen zur Eingliederung bei uns im Kreis, auch dank sehr engagierter Arbeitgeber, sehr gut. Es ist bitter, wenn wir solche funktionierenden Maßnahmen aufgrund der Kürzungen zurückschrauben müssen“, so Diana Stolz.

Positiv ist dagegen die fortschreitende Digitalisierung des Eigenbetriebes Neue Wege. Der Umstellungsprozess ist 2022 weiter vorangeschritten. Unter der Marke NWdigital bietet Neue Wege eine ganze Reihe digitaler Dienstleistungen für die Kunden an. Darunter fallen etwa die Möglichkeit, Hauptanträge SGB II und Weiterbewilligungsanträge online zu stellen, die Beratung per Videocall, die Möglichkeit der Nutzung des Online-Dokumentenportals und das 2022 gestartete Projekt „Smartdoc“. Bei diesem werden Schreiben des Jobcenters mit mehrsprachigen Erklärvideos verbunden. Verfügbar sind diese in Deutsch, Ukrainisch, Englisch, Arabisch und Tigrinya.